
“Foto und Raum“
Jeder Mensch fasst den Moment anders auf, erinnert sich unterschiedlich und geht verschieden mit dem Erlebten um. Fotograf Alexander Binder hinterfragt in seiner Ausstellung Enzyklopädie, die vom 26. Januar bis zum 5. April 2020 in der Galerie Kernweine gezeigt wird, die von uns erfahrene (Alltags-)Realität und löst den engen Bezugsrahmen unserer Wahrnehmung auf. Die Fotografien wirken schemenhaft, verschwommen – es geht es um die eigene, innere Deutung des Gesehenen.
Ganz offen bedienen sich die Arbeiten der Ausstellung Enzyklopädie der Haltung und Themen des Symbolismus des späten 19. Jahrhunderts: Natur, Mystik und Mythologie bilden einen geheimnisvollen Kosmos, auf den man sich eher emotional einlassen muss, als dass es etwas rational „zu verstehen“ gibt. Die Fotografien wirken vielmehr wie Gedankensplitter, die sich erst in der Vorstellungswelt des Betrachters mit Details füllen – um dort ihr ganz eigenes Leben zu entfalten.
Die Enzyklopädie wird in Binders Ausstellung als ein Nachschlagewerk der eigenen Erinnerungen gesehen: Flora und Fauna geben sich vage zu erkennen und erscheinen teils in leuchtender Farbigkeit, teils in schwarzweiß. Die Bilder entziehen sich bewusst unserem konzeptionell-strukturierten Denken und unserem Hang, Dinge räumlich und zeitlich exakt verorten zu wollen.
Die Fotografien wurden im Schwarzwald, Italien, England und in Indien aufgenommen. Der Entstehungszeitraum der Arbeiten bleibt jedoch unbestimmt: Binder entdeckt die Fotografien oft erst nach Jahren wieder, um sie dann in gänzlich veränderte Sinnzusammenhänge zu stellen. Spiritualität und Kult in (sur-)realen Formen bilden dabei einen übergreifenden Rahmen.
Alexander Binder (*1976 in Pforzheim) lebt und arbeitet in Stuttgart. Sein Schaffen zeichnet sich durch die Verknüpfung von digitaler und analoger Fotografie aus – Binder kombiniert moderne Spiegelreflexkameras mit alten und selbst gebauten Objektiven. Die so entstehenden Aufnahmen sind durch Unschärfen, Blendenflecke und zufällig entstehende Reflexionen geprägt. Auf diese Weise entfliehen die Arbeiten der nach Perfektion strebenden Hightech- Welt heutiger Kamerasysteme. In den letzten Jahren veröffentlichte er in zahlreichen Kunst-, Foto- und Lifestyle- Magazinen, Einzel- und Gruppenausstellungen (u.a. in Warschau und Montréal) sowie Teilnahmen an Festivals, wie z.B. „Voies Off“ in Arles, ergänzen seine künstlerische Praxis.

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Fotos: © Alexander Binder